Die Herausforderung.
Unser ehrenamtlich vom Verein "Aktion – Leben und Lernen in Bosnien e. V." organisiertes Filmfestival fand und findet – wie jedes zivilgesellschaftliche Engagement für BIH – vor dem ernüchternden Hintergrund statt, dass sich der seit dem Dayton-Abkommen 1995 angestoßene Prozess zur Konsolidierung des politischen Dauerprovisoriums BIH bis heute immer wieder als festgefahren erweist. Latenter Revanchismus und gut organisierter ethnischer Nationalismus haben sich in knapp drei Jahrzehnten im ethnisch dreigeteilten Land unaufhaltsam zu unüberwindlichen ideologischen, bürokratischen und korruptionsdurchsetzten Verhinderungsstrukturen entwickelt. Die Führung des serbischen Teilgebiets schreckte zuletzt nicht vor der radikalen und provokativen Infragestellung der zentralen Autorität des Hohen Repräsentanten zurück. Zugleich wurde bisher jeder Ansatz zur Veränderung dieser Situation durch Selbstblockaden der übergeordneten internationalen Institution des Friedensimplementierungsrats – gebildet aus über 50 beteiligten Staaten – verhindert.
Die durch den russischen Überfall auf die Ukraine dramatisch ins Wanken geratenen geopolitischen Kulissen auf dem Balkan lassen für das Jahr 2024 nicht viel Gutes für BIH erwarten. Anlässlich des Besuchs des deutschen Verteidigungsministers im April wurden die neuen militärisch-strategischen Realitäten in Begrifflichkeit und Tonfall explizit deutlich. Zum einen in der Forderung nach einer neuen, dringend gebotenen "Härte Europas". Die NATO-Beitritte von Finnland und Schweden werden dabei als Stärkung der Abschreckung im Nordosten verbucht. Und der Balkan? Hier stand plötzlich ein Begriff im Raum, der knapp 30 Jahre nach Dayton dieser Region eine denkbar fatale Körperpartie in der neuen, wehrfähigen Anatomie des europäischen Verteidigungsorganismus zuschreibt: die der "weichen Flanke".
Wie immer die schreckliche, inzwischen euphemistisch "Ermüdungskrieg" genannte Tragödie in der Ukraine sich auch entwickeln wird: Für den Westbalkan können daraus schnell größere Zerreißproben entstehen als die heute ohnehin schon vorhandenen. Die Gräben zwischen der Einflusssphäre des neuen, auf autokratisch gesteuerte Kriegswirtschaft umgestellten "Großrusslands" Putins einerseits und dem trotz überlegener Ökonomie und der riesigen Waffenarsenale der NATO mit der systemischen Komplexität der eigenen Stärke oft überforderten Westen andererseits verlaufen mitten durch BiH und seine Nachbarländer. Wobei der genaue Verlauf dieser Gräben, ähnlich wie vor 30 Jahren, kaum vorhersehbar ist. Und der Westen? Ob die intern oft mit nur sehr knappen, fragilen Mehrheiten regierten EU-Länder, oder die intern im Wahlkampf manchmal fast bürgerkriegsgefährdet wirkenden USA: Diese sehr spezielle Gemengelage könnte nicht nur Putin, sondern auch andere an Grenzverschiebungen im Westbalkan interessierte Kräfte, vor allem aber putinfreundliche "großserbische" Nationalisten in Belgrad und Banja Luka zum erneuten Losschlagen einladen.